Mittwoch, 15. Oktober 2014

Ich im Medienland

Der einen oder dem anderen ist er vielleicht aufgefallen, der kurios kleine Röhrenfernseher auf einem meiner Wochenbilder. Falls ihr gedacht habt, das ist das Ersatzgerät im Kinderzimmer - Fehlanzeige. Diese winzigen 35 cm Bildschirmdiagonale (also umgerechnet gerade mal 14 Zoll) stehen bei uns im Wohnzimmer. Und das, wo Hersteller und Elektronikmärkte sich mit ihren Fernsehern gegenseitig überbieten (50 Zoll, 65 Zoll, 80 Zoll, Curved, HD, Full HD, LED Backlight undwasweißichnichtnochalles). Nein, ganz großes Kino ist das wahrlich nicht. Das können die Lichtspieltheater mit ihren großen Leinwänden eh viel besser. Außerdem bin ich es nicht anders gewöhnt, da geht das schon. 
Bis zur Wende, also in meinen ersten neun Lebensjahren, bestand die elektronische Medienwelt für mich aus genau vier Geräten: einem uralten Radio, einem flachen Kassettenrecorder, einem Plattenspieler für Traumzauberbaum, Gerhard Schöne, Schlaps & Schlumbo & Co. und einem winzigen Fernsehgerät. Das hatte ganze drei (!) Sender und die auch noch in schwarz-weiß. Wir besaßen es auch nur, weil es irgendjemand nicht mehr brauchte und uns geschenkt hat. Wenn man das heute jemandem erzählt, vor allem jüngeren Menschen, glauben die, ich wäre kurz nach der Steinzeit groß geworden. Mindestens aber im tiefsten Mittelalter. Wir guckten Sandmännchen, Märchenfilme, Das Spielhaus und noch eine Handvoll andere DDR-Kindersendungen, hörten unsere Lieblingsplatten und gut war's. Dazu kamen noch die klassischen Medien Buch und Zeitschriften. Natürlich lasen wir den Bummi, später die Frösi und Fix & Fax. Und Bücher, massenweise Bücher. Viele davon habe ich heute noch, weil meine Eltern die meisten aufgehoben haben.

Als die Mauer fiel, kauften meine Eltern als erstes ein neues Radio. Eines mit - Achtung - Doppelkassettendeck! Das stand fortan in der Küche, ganz oben auf dem Küchenschrank, und durfte auch nur dort benutzt werden. Neben dem Radioprogramm liefen dort auch gern mal Udo Lindenberg und Reinhard Mey, deren Hits bereits zu DDR-Zeiten in Westpaketen zu uns gereist waren. Auf von Hand überspielte Kassetten natürlich. Der Fernseher blieb, wenn auch die Programme wechselten. Mehr wurden es nicht, da Kabelanschluss oder Satellitenschüssel, sehr zu unserem Leidwesen, für meine Eltern nicht in Frage kamen. Wie gern nutzen da vor allem meine jüngeren Brüder jede Gelegenheit, im nagelneuen, riesengroßen Fernsehgerät bei Oma und Opa die neuesten Trickfilme zu gucken. Ich erinnere mich z.B. an die Pferde-Serie Fury, die bereits damals 30 Jahre auf dem Buckel hatte. Zuhause setzten wir uns manchmal gleich nach der Schule vor die Glotze, vor allem immer dann, wenn Richard Dean Anderson als Mac Gyver seinen Vokuhila und seine genialen Bastelideen aus Büroklammern und alten Kaugummis präsentierte.

Ein absolutes Highlight modernster Technik hielt 1990 in unserem Wohnzimmer Einzug, als meine Eltern in einer der neu gegründeten Videotheken einen Videorekorder ausliehen und wir uns unsere allererste Videokassette anschauten: Go Trabi Go liebe ich bis heute, ich habe den Film schon unzählige Male gesehen. Leider musste das Wunderteil aka Videorekorder schon nach wenigen Tagen zurück gebracht werden und wir hatten bis zu meinem Auszug neun Jahre später keinen eigenen. Deshalb hatte ich zu meinem zwanzigsten Geburtstag einen ganz besonderen Wunsch: Von allen zusammen wünschte ich mir ein kleines Fernsehgerät mit integriertem Videorekorder für meine erste eigene Wohnung:

Das Philips-Gerät in schickem Silber war damals mit das modernste auf dem Kompaktfernsehermarkt und endlich nicht mehr so hässlich schwarz wie die meisten technischen Geräte. Ich schaute zahlreiche Filme damit, kaufte mir einige meiner liebsten Disney-Märchenfilme (ja, ich mag die!) und ließ mir Amélie auf Französisch extra aus Frankreich mitbringen. DVDs, auf denen standardmäßig mehrere Sprachen mitgeliefert werden, gab es damals noch nicht. Wollte man einen Film im Original ansehen, musste man sich das Video im entsprechenden Land besorgen und dabei unbedingt darauf achten, ob die Videoformate dort zu unseren Geräten hier passten.
Was ich nicht ahnen konnte: Der unaufhaltsame Siegeszug der CD/DVD hatte bereits begonnen. Nicht mehr lange und kein Mensch würde sich noch Videos ansehen, ausleihen oder aufnehmen. Aber das ist eine typische Begleiterscheinung unserer modernen Medienwelt: Kaum hat man sich an ein Gerät, ein Format, eine Technologie gewöhnt und kann es/sie sich leisten, ist es/sie längst überholt, das Neueste vom Neuesten türmt sich in den Elektronikfachmärkten und die Technik von übermorgen steht auch schon in den Startlöchern.

Dennoch stand dieser Fernseher bis vor wenigen Jahren noch bei uns im Wohnzimmer. Dann starb eine alte Tante meines Mannes und hinterließ unter anderem einen großen Röhrenfernseher. Zu dieser Zeit hatte aber praktisch jeder längst auf Flatscreen umgesattelt und so hatte niemand Bedarf an diesem sehr großen, sehr schwarzen "Monstrum". Außer uns. Wow, das war ja ein ganz neues Fernseherlebnis in dieser Größe! Da lohnte es sich ja regelrecht, auch mal eine DVD in der Stadtbibliothek auszuleihen und einen Heimkinoabend mit Popcorn zu machen. Das mit den DVDs war auch nötig, denn allzuviel Brauch- bzw. Sehbares läuft ja nicht, ungeachtet der gefühlten Viertelmillion verschiedener Sender. Da wir uns auch vom Bezahl- und Privatfernsehen keine Niveausteigerung erwarteten (hohoho), blieben wir bei den dritten Programmen, schauten ab und zu was Bildendes und sonst einfach gar nix (ganz ehrlich: jeden Abend Tierdokus kann ich einfach nicht *ggg*). Kein Wunder, dass die Kinder sich in der Ostsee-Ferienwohnung als erstes auf den großen Bildschirm mit den vielen Trickfilmsendern stürzten.


Allerdings hatte das gute Bildempfangsgerät zu Hause wohl in seinem Leben schon zu viele Volksmusiksendungen u.ä. senden müssen, zumindest gab es in diesem Sommer endgültig seinen Geist auf. Wir waren halb traurig, halb froh, konnten wir doch nun endlich auch mal ein Auge auf die schicken flachen Geräte werfen, die in jedem Werbeprospekt flimmerten. Wir wälzten also Prospekte und klickten uns durch TV-Text-Internetseiten und hatten bald eine Vorstellung von unseren Wünschen. Wobei ich zugegebenermaßen am meisten mit Beamer und Leinwand liebäugelte, weil wir eben nie Tagesschau oder Frühstücksfernsehen, sondern ausschließlich Spielfilme gucken und ich das Kinoerlebnis so mag (das war finanziell zwar im Leben nicht drin, aber man wird ja wohl noch träumen dürfen *ggg*). 

Dann kam aber alles ganz anders. Das kleine Schulkind bekam nach über einem Jahr auf der Warteliste endlich den ersehnten Platz für Musikunterricht (Flöte) am Heinrich-Schütz-Konservatorium. Das große Schulkind wünschte sich neben seinem Programmierkurs am Schülerrechenzentrum regelmäßiges Klettern in der Kletterhalle und für die Sommer- und Herbstferien fanden beide tolle Ferienlager für sich. Eine Rechnung nach der anderen trudelte hier ein und spätestens bei dem sehr hohen dreistelligen Betrag für die Musikschule war klar: Fernseher is' nich'. Größere Fahrräder brauchen beide auch demnächst und der Preis für die Kinderbrille des kleinen Schulkindes stand meinen Brillen in nichts nach. Eher im Gegenteil: Meine letzte hat die Hälfte von seiner gekostet.

Und so ist geschehen, was wir nie gedacht hätten: Wir haben meinen kleinen Philips-Fernseher wieder hervorgeholt. Fast wäre auch das gescheitert, denn der Lieblingsmann will diesen seit einigen Jahren schon loswerden. Allein sentimentale Gründe meinerseits haben dafür gesorgt, dass er noch bei uns ist. Für die Sendung mit der Maus reicht der schon noch, aber ich gebe auch zu: Spielfilme machen in "Briefmarkengröße" einfach keinen Spaß. Muss ich halt jetzt öfter mal ins Kino gehen :-) Oder Filme am PC schauen, was wir schon öfter machen. Mediatheken & DVDs haben ja den für Eltern unschätzbaren Vorteil, dass die Filme erst starten, wenn auch wirklich das letzte Kind ins Bett gebracht, die letzte Geschichte gelesen und der letzte Gutenachtkuss verteilt ist :-)

Musik höre ich nach wie vor sehr gerne und das geht zum Glück auch prima zu Hause. Auf die gekauften, geschenkten und selbst überspielten Kassetten (Eros Ramazzotti! Sandra! Roxette!) folgten regalmeterweise CDs, die ich in der schnuckeligen kleinen Kompaktanlage (in Silber!) hörte, die mir meine Eltern zum 18. Geburtstag geschenkt hatten. Mittlerweile befindet sich meine Musiksammlung komplett auf dem PC, ergänzt durch zahlreiche Onlinekäufe und (legale, bezahlte!) Musikdownloads. Meine Kinder haben hingegen jeder eine eigene Minianlage bekommen, noch mit Kassettendeck, um z.B. meine alten Bibi-Blocksberg- und Benjamin-Blümchen-Kassetten zu hören. Doch auch bei ihnen haben längst MP3-Player und Smartphone Einzug gehalten. Meine kleine Anlage steht zwar noch hier, liest aber keine gekauften CDs mehr ein, nur noch gebrannte (!). Ich fürchte, sie steht - wie schon der kleine Fernseher - nur noch aus nostalgischen Gründen hier. Aber wer weiß, vielleicht brauchen wir sie ja eines Tages ganz überraschend wieder? *zwinker*

Und wie Filme und Musik, sind auch viele Bücher bei mir bereits in elektronischer Fassung vorhanden und werden auf meinem schönen roten Sony Reader gelesen. Die Anzahl der elektronischen Geräte hier im Haushalt ist unüberschaubar geworden (die der Ladegeräte leider ebenfalls). Aber zu meinen Erlebnissen rund um die modernen Kommunikationstechnologien erzähle ich euch ein andermal etwas.



3 Kommentare:

Peggy hat gesagt…

Oh- das war sehr amüsant zu lesen :)
Vielen Dank!

Karen hat gesagt…

Ja,ich habe das auch mit großem Vergnügen gelesen :-) Bin ich doch diejenige, die angeblich total im Mittelalter lebt... Das behauptet jedenfalls einer meiner Schüler beharrlich, weil er einfach nicht verstehen kann, wie man ohne permanenten Technik-Konsum leben kann. Dabei haben wir einen modernen Fernseher (aber nur weil das Röhrengerät leider kaputt ging), ich besitze sogar ein Handy (allerdings kein Smartphone, aber was für ein Handy ich gerade suche und selten finde, ist ja auch egal) und es gibt im Haus mehrere Computer (teilweise mehr als uralt, teils topmodern) - und meine Kinder dürfen trotzdem nicht am Computer "daddeln".
Technik ist toll - wenn ich sie irgendwie gebrauchen und benutzen kann. Aber ich kaufe mir doch keinen neumodischen Schnickschnack ohne Grund, nur weil irgendwer meint, das sei cool. Meine Standardantwort heißt dann "zum Glück bin ich über 40 und muss nicht mehr cool sein!"

Ladegeräte haben übrigens nur noch Zutritt zu meinem Haus, wenn sie vorher jemand beschriftet hat ;-) Das Gesuche nach dem passenden Ladegerät ist echt ätzend.

Liebe Grüße so von Mittelalter zu Mittelalter :-)
Karen

Doro hat gesagt…

Das klingt ganz ähnlich wie meine Mediengeschichte. :-)
Es ist auch noch gar nicht lange her, da stand in unserem Wohnzimmer ein Röhrenmonster, das dann irgendwann den Geist aufgab. Wir haben, weil wir es nicht mögen, wenn der Fernseher so im Mittelpunkt steht, selbigen in einem schönen weißen Schrank versteckt, der eigentlich ein Arbeitsplatz ist. Für die Unterhaltungstechnik aber auch perfekt. Und damit kam das Problem: Die Flatscreendinger sind heutzutage so riesig, dass es keinen Fernseher gab, der in unsern Schrank gepasst hätte! Wir sind letztendlich bei einem großen Computermonitor gelandet. Reicht völlig. Für Kinogröße fehlt uns sowieso der nötige Abstand, so rein räumlich. :-)

Liebe Grüße, Doro

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