Mittwoch, 5. Mai 2010

Erschütternd und skrupellos

... und eigentlich doch gar nicht überraschend sind die Fakten in diesem Film. Wir alle leben mit diesem Wissen, konsumieren trotz dieses Wissens. Kaufen billige Schuhe, Kindersachen, hübsche Deko, schauen lieber aufs Preisschild anstatt auf ein "Fair Trade"-Siegel. So viele schöne, neue Sachen gibt es immer wieder - wer kann wirklich darauf verzichten und kauft nur das, was er braucht, und das nach akzeptablen sozialen und ökologischen Standards? Und geht das überhaupt? Ist es heutzutage, wo alles von überall her kommt, überhaupt noch möglich, die Herkunft und die Arbeitsbedingungen der Produkte zu kennen? Kann ich bei jedem Stift, jeder Hose, jeder Rolle Tapete herausfinden, unter welchen Bedingungen diese Dinge hergestellt wurden?
Das soll keinesfalls eine Entschuldigung dafür sein, dass unsere westliche, gut situierte Welt auf dem Rücken der armen Länder lebt, z.T. überhaupt nur aufgrund der schlimmen Zustände dort so gut leben kann. Ich frage mich dennoch immer wieder, ob es anders überhaupt geht, ob ein Zurück möglich ist.
Es ist völlig klar, dass man Kleidung nicht für 2 Euro herstellen kann, erst recht nicht, wenn sie noch um die halbe Welt transportiert werden muss und so viele daran verdienen wollen. Wir alle wissen nur zu gut, was es kostet, Dinge selbst herzustellen. Man kann also davon ausgehen, dass Dinge zu extrem niedrigen Preisen unter katastrophalen Arbeits- und Umweltbedingungen hergestellt sein müssen, anders ist das gar nicht möglich. Kann ich aber im Umkehrschluss sicher gehen, dass teure Sachen zu besseren Bedingungen fabriziert wurden? Eben nicht!!! Wenn ich für Markenjeans das Zehnfache von Kik-Jeans bezahle, bekommen die Arbeiter in Asien höchstwahrscheinlich keinen Cent mehr - nur die Rechteinhaber verdienen sich eine goldene Nase. Wie also kann man garantiert Dinge kaufen, die zu guten Bedingungen hergestellt wurden? Und können, wollen wir wirklich auf alles andere verzichten? Turnschuhe, Jeans, Überraschungseifiguren, Dekoartikel, Computer, Plastikspielzeug wie Barbie, My little Pony, Pokémon & Co. - all das wird unter unzumutbaren Konditionen am anderen Ende der Welt für uns hergestellt. Schnittblumen ebenso - die Arbeiter in den Gärtnereien in Südafrika & Co. leiden massiv unter dem Einsatz der Chemikalien, werden schwer krank davon. Und selbst wenn die Schuhe für 300 Euro einen deutschen Firmennamen tragen und meinetwegen auch in Deutschland hergestellt wurden - wer hat dann das Leder dafür gegerbt? Nordafrikanische Kinder mit bloßen Füßen (das haben meine Schwiegereltern bei einem Urlaub dort mit eigenen Augen gesehen)? Und heißt Herstellung in Deutschland auch vernünftige Arbeitbesdinungen für die Mitarbeiter hier? Auch das ist nicht garantiert, wenn man sich Schlecker, Lidl, Kik & Co. anschaut und bedenkt, dass über eine Million arbeitende Deutsche Sozialzulagen vom Staat benötigen, weil sie von ihrem Gehalt allein nicht leben können! Ich selbst habe ja vor einigen Wochen eine Stelle abgelehnt, die viel Arbeitseinsatz für unter 7 € Bruttostundenlohn bedeutet hätte - ebenfalls inkl. Toilettenputzen, wie in dem Kik-Video angeprangert. Und das nicht etwa in einem Billigladen, sondern in einem, in dem jedes einzelne Ding richtig teuer ist und man viel Geld an der Kasse lässt!
Sicher wäre es eine wunderbare, die ideale Lösung überhaupt, wenn einfach niemand mehr bei solchen Ausbeutungen mitmachen würde - ob nun auf Arbeitnehmer- oder auf Kundenseite! Doch das ist wohl Utopie! Denn die meisten haben wohl nicht die Wahl, vor allem nicht bzgl. ihrer Arbeitsstelle. Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich die Wahl habe und zu Billig-Praktika und Ausbeuter-Jobs NEIN sagen darf! Wer die Wahl hätte und nicht darüber nachdenkt, trägt solche Systeme mit. Nur leider können die meisten nicht wählen - und das wissen auch die, die solche Systeme installieren.
Schrecklich, ja, aber kann man etwas tun? Vielleicht hilft es ja wenigstens ein bisschen, nicht alles in den billigsten Läden zu kaufen...

PS.: Was mich aber fast am meisten an dem Kik-Video aufregt, ist die Tatsache, dass die NDR-Reporter das todkranke Kind zwar besuchen und bemitleiden - ihm aber nicht helfen!!! Warum bringen sie es nicht von ihrem eigenen Geld zum Arzt? Das, was ein Arzt in Bangladesh kostet, zahlen die meisten hier doch aus der Portokasse, oder???

1 Kommentar:

Topaz hat gesagt…

Liebe Regina,

Journalisten sind dazu da, um über Missstände zu berichten - sie können nicht allen helfen, über die sie berichten. Selbst wenn sie es vielleicht möchten.

Ich finde, es würde schon helfen, bei Firmen, die für ihre schlechten Arbeitsbedingungen berüchtigt sind, NICHT zu kaufen (ich kaufe deshalb schon seit Jahren nichts bei Tchibo, auch wenn es immer heißt, die hätten sich gebessert...). Und ich hoffe sehr, dass für meine pflanzengegerbten Öko-Lederstiefel kein Kind in die Giftbrühe treten musste. Aber du hast Recht, eine Garantie hat man nie. Und es ist leider meistens doch eine Frage des Preises - zum Beispiel bei Lebensmitteln, die regional und fair erzeugt wurden. Die sind nun mal deutlich teurer. Hach, das ist ein Thema zum Endlos-Diskussionen-Führen...

Es gibt übrigens Einkaufsführer, an denen man sich orientieren kann, z.B. den hier: http://www.amazon.de/Shopping-hilft-Welt-verbessern-Einkaufsf%C3%BChrer/dp/3442169747/ref=sr_1_fkmr0_1?ie=UTF8&qid=1273125065&sr=1-1-fkmr0

Liebe Grüße
von Nicole

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