Gerade steht hier alles still und dreht sich gleichzeitig wie verrückt, so dass wir kaum hinterherkommen mit dem Tempo. Die Tage und Wochen und Monate rasen, jeder Tag ist vollgepackt bis oben hin und trotzdem ist nicht annähernd alles zu schaffen.
Und das sieht dann so aus, seit Monaten:
Jeden Tag:
5:45 Uhr: Der Wecker klingelt, der Mann
steht auf, macht Frühstück und weckt das große Kind.
6:15 Uhr: Er weckt mich, ich wecke das
kleine Kind.
6:30 Uhr: Der Kleine und ich kommen zum
Frühstück in die Küche, Mann und Teenie gehen ins Bad.
6:55 Uhr: Mann und Teenie verabschieden
sich und fahren ein Stück des Weges zu Schule und Arbeit gemeinsam.
7 Uhr: Der Kleine und ich gehen ins Bad
und anschließend zum Anziehen in den Flur.
7:15 Uhr: Wir laufen los zur Schule.
7:45 Uhr: Wir sind da, Küsschen, gute
Wünsche für den Tag, drin ist das Kind.
Ich fahre nach Hause, kaufe unterwegs
ein, räume den Frühstückstisch ab, erledige Wäsche. Dann setze
ich mich an den PC, checke kurz Mails und Facebook, dann meine
To-Do-Liste. Ich telefoniere und recherchiere, wenn es etwas zu
erledigen gibt, Termine abzusprechen sind, ich nach einer Information
suchen muss. Dann beginne ich mit den Aufgaben fürs Studium.
Zwischen 11 und 12 Uhr bekomme ich
Hunger. Ich verschiebe das Hungergefühl, habe noch keine Lust, übers
Kochen nachzudenken. Zwischen 13 und 14 Uhr muss ich dann in die
Küche, weil der Hunger nicht nachlässt. Ich mache mir etwas
Schnelles, was der Vorrat eben so hergibt. Wenn ich Glück habe, ist
noch etwas vom Wochenende da.
Montag
Der Große kommt gegen drei aus der
Schule.
Der Kleine hat nachmittags
Flötenunterricht und kommt gegen vier nach Hause.
16:00 Uhr: Wir trinken gemeinsam Kakao
und Tee und essen Kekse oder Kuchen oder Obst.
16:30 Uhr: Da der Flötenunterricht in
der Hausaufgabenzeit lag, muss er die Hausaufgaben nun noch
nachholen. Die Konzentration ist schon nicht mehr gut, es geht
schleppend, mehrmals muss er alles korrigieren. Er ist müde, möchte
endlich mal einfach nur spielen und keine Aufgaben haben.
Der Große macht auch Hausaufgaben und
spielt dann etwas am Handy.
Ich übe mit dem Kleinen Lesen. Weil er
nicht alleine sein oder alleine spielen möchte, pendle ich zwischen
seinem Zimmer und dem Abendbrot, damit es nicht zu spät wird.
18:00 Uhr: Der Mann kommt, wir essen.
19:00 Uhr: Die Kinder verschwinden ins
Bad.
20:30 Uhr: Beide Kinder liegen im Bett,
es gab Geschichten (ich lese dem Kleinen vor,d er Große dafür mir)
und Kuscheln und Lieder.
Ich erledige Mails, schaue ein wenig in
die Bloggerwelt. Zum Nähen, Bloggen, Kommentieren, Lesen oder
Fernsehen ist es zu spät, ich bin kaputt, fertig werde ich eh nicht,
wenn ich jetzt noch etwas anfange. Außer den Theaterabenden mache ich nichts mehr für mich, auch zum Sport kann ich mich nicht aufraffen. Es wäre nur eine weitere Pflichtübung am Tag.
Dienstag
Der Kleine kommt gleich nach dem Essen
aus der Schule. Die Hausaufgabenzeit fällt also wieder flach. Er hat
hier eine halbe Stunde zum Ausruhen, dann geht es eine Stunde quer
durch die Stadt zur Kinderpsychologin. Eine Stunde Therapie, eine
Stunde Rückweg. Das Vesper besteht aus Keksen in der Straßenbahn.
In der Bahn üben wir wieder Lesen.
Der Große deckt zu Hause den
Abendbrottisch.
18:00 Uhr: Wir sind alle wieder zu
Hause. Abendprogramm s. Montag.
Hausaufgaben sind dienstags nicht drin.
Dann sind es morgen doppelt so viele.
Mittwoch
Juhuh, ein freier Nachmittag – und
damit der einzige in der Woche, an dem die HA in der Schule
stattfinden können (zumindest, seit der geliebte Gärtnerkurs in der
Grundschule auf Dienstag verlegt wurde, was sehr schade war). Der
Kleine darf sich aussuchen, wann er nach Hause kommt. Manchmal spielt
er noch im Hort, meistens entscheidet er sich aber, gleich nach dem
Essen zu kommen, weil Schule und Hort für ihn der pure Stress sind.
Also doch wieder Hausaufgaben zu Hause. Und Nachholen des nicht
geschafften Unterrichtsstoffes. Und Berichtigen von Diktaten, in
denen praktisch jedes Wort falsch ist. Inkl. dem kompletten Eintrag
aus dem Grundschulwörterbuch zu jedem Wort. Und den Leseübungen.
Und dem Flöten. Wenn noch Spielzeit ist, dann mit mir, alleine geht
gar nicht.
18:30 Uhr: Der Große kommt vom
dreistündigen (!) Programmierkurs, zu dem er direkt von der Schule
fährt. Er ist ganz schön fertig, liebt diesen Kurs aber sehr. Es
gibt Abendessen.
Donnerstag
12:35 Uhr: Ich hole den Kleinen von der
Schule ab, zeitbedingt heute ohne Mittagessen. Im Schnellschritt geht
es zum Bus, an der Haltestelle schnell ein Brötchen oder eine
Bratwurst kaufen, umsteigen in die Straßenbahn, ab zur Ergotherapie.
15:30 Uhr: Wir sind wieder zu Hause.
Drei Stunden unterwegs für eine knappe
Stunde Therapie.
Zu Hause Vesper, dann Hausaufgaben.
Wir haben noch nicht einmal diese Woche
das Augentraining der Optometristin geschafft, geschweige denn die
Ergotherapie-Übungen. Dabei sagt mir die Therapeutin Woche für
Woche eindringlich, wir müssten das unbedingt jeden Tag machen. Und
eigentlich nicht nur einmal, sondern zweimal pro Woche zu ihr kommen.
Freitag
Hausaufgabenfrei! Dafür kommt der
Kleine bereits als Mittagskind nach Hause, mit dem besten Freund im
Schlepptau. Beide wollen mir ganz viel erzählen, mit mir vespern,
bei mir sein. Also habe ich immer freitags drei Kinder.
Ich unterbreche das Spielen nicht zum
Üben. Heute also kein Flöten, kein Lesen, keine Ergo, kein
Augentraining.
Samstag
Nach dem Frühstück packt der Kleine
seinen Ranzen: Federmappe kontrollieren, Schwimmzeug einpacken,
Sportzeug in die Wäsche und Neues einstecken. Der komplette Ranzen
wird ausgekippt, so viel Zeug sammelt sich jede Woche darin. Wir
müssen ausmisten, wieder einpacken, Hefte kontrollieren. Jede Woche
fehlen Aufgaben, die er im Unterricht nicht geschafft hat. Wir
könnten das ganze Wochenende üben. Wollen wir aber nicht.
Irgendwann muss auch mal Schluss sein. Erholung. Entspannung.
Spielen. Kindsein.
Sonntag
Außer einem kleinen „Flötenkonzert“
und 10 Leseminuten ist heute nur Spielen oder ein Ausflug dran.
Mir graut vor Montag. Dann geht alles
wieder von vorn los. Dann steht wieder im Hausaufgabenheft, das Kind
zeige keinerlei „Lernwillen“. Dass es nicht anders kann,
interessiert nicht. Ohne Diagnose ist das Kind unwillig und die
Eltern unfähig. Fortschritte spüren wir noch keine, dafür stehen
jetzt Vermutungen im Raum. LRS lauten die. Und ADS. Ich habe sie zu
meinen Feinden erklärt. Ich will sie nicht haben. Ich möchte nur
etwas Ruhe. Für mich und meine Familie. Keine Kindheit zwischen
Therapien und Schulwechseln und völlig verplanten Nachmittagen. Aber
die Ergotherapeutin spricht von mindestens 30 Sitzungen, der Arzt
sagt etwas von intensiver Betreuung und Förderung „mindestens noch die ganze Grundschulzeit“.
Ich kann nicht mehr. Ich weiß nicht,
was ich noch tun soll, damit es endlich etwas besser wird. Ich möchte
mein Kind nicht jeden Morgen so zeitig wecken und in eine Schule
schicken, die für ihn nur Stress und Frust und Anschuldigungen, er
bemühe sich nicht, bereit hält. Ich möchte mir nicht mehr von der
Lehrerin anhören müssen, wie unfähig mein Kind und vor allem wir
als Eltern wären. Ich möchte niemandem erklären müssen, was mit
meinem Kind ist. Zumal ich es ja selbst nicht richtig begreife. Ich
möchte nicht diese Diagnosen, diese Stempel aufgedrückt bekommen.
Ich kenne doch die Diskussionen anderer Eltern über „solche“
Kinder, „solche“ Familien.
Ich möchte morgen aufwachen und alles
war nur ein böser Traum, alles ist ganz normal.
8 Kommentare:
Kann dich gut verstehen, hab dir meine Erfahrung gemailt, vielleicht hilft dir das etwas.
LG Ute
Liebe Regina,
man oh man, deine Woche ist wirklich sehr voll, das hälst Du doch auf Dauer selbst nicht aus. Ich habe zu diesen Dingen wenig Erfahrungen, aber was ich vom Gefühl her sofort denke ist, dass Dein Bauchgefühl dort mit Sicherheit richtig liegt. Es ist doch nicht gut, das Kind schon so früh von einem Termin zum nächsten zu schicken, ohne dass da noch etwas Zeit fürs Kindsein bleibt. Auch diese Ergotherapien nehmen irgendwie überhand, werden so vielen Kindern verschrieben (aber bringen die denn auch was? - lernen die Kinder manche Dinge nicht auch beim normalen Umgang und Spielen mit anderen? - wird den Kindern durch diese Vielzahl an Therapieterminen nicht vermittelt, dass etwas mit ihnen nicht stimmt?). Ist denn nicht jedes Kind einzigartig und eben nicht wie der Durchschnitt oder wie es im Lehrbuch steht? Was mich besonders ärgert ist, dass die Schule da ja eine furchtbare Einstellung hat bzw. die Lehrerin. Das ist doch eine Frechheit. Gibt es nicht Möglichkeiten zu wechseln, gerade wenn dem Kleinen die Schule und der Umgang dort nur stresst? Das fördert das Ganze ja nicht unbedingt... Ich kenn mich da nicht aus, aber es kann doch nicht sein, dass man da so hilflos zuschauen muss...
Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Gute, ganz viel Kraft und dass hoffentlich bald etwas mehr Zeit für die schönen Dinge ist!!!
Ganz liebe Grüße
Dani Ela
Warum müssen alle Kinder in der Schule zu "Normkindern" werden?
Es gibt auch Schule, die die Kinder so sein lässt wie sie sind... nur leider sind diese Schulen nicht überall gut erreichbar oder gar vorhanden. Aber vielleicht gibt es dies ja doch und ihr habt sie nur noch nicht für euch entdeckt?
LG Anja
Puh! Abgesehen von den Therapieterminen ist unsere Woche ähnlich voll und ich auch fix und foxy freitags. Hat die Lehrerein tatsächlich solche Sachen zu euch gesagt?? Das geht ja überhaupt nicht! Lernt nicht jedes Kind in seinem Tempo und hat besondere Stärken?!
Ganz viel Kraft euch!
Liebe Regina,
schon ganz lange lese ich "still" bei dir. Heute berührt mich dein Post so, dass ich schreiben muss.
Was du fühlst, kann ich sehr gut nachvollziehen!
Ich arbeite selbst an einer freien, privaten Grundschule und habe direkt Fantasien bekommen, wie schön es deinem Sohn bei "uns" gefallen könnte!
Leider ist das in Süddeutschland. Gerne hinterlasse ich dir hier den Link einfach mal zum reinschauen.
Ich wünsche euch, dass ihr bald eine Lösung findet um euren Alltag und seinen Schulweg zu entzerren!!!
Sei herzlich gegrüßt von Regina
www.lebensfroehlich.blogspot.de
http://www.kita-technido.de/ge/element-i/grundschulen/grundschulen.php
Das klingt grauenvoll, kein Wunder, dass ihr nicht mehr könnt. Egal, was für Diagnosen im Raum stehen, wichtig wäre vor allem, dass ihr euch in der Schule angenommen fühlt. Ich kriege echt Wut im Bauch, wenn Kinder nur noch in Normtabellen passen sollen - Kinder sind einzigartig! Wie soll Dein Sohn Lernwillen zeigen, wenn er sich vermutlich permanent überfordert fühlt...
Was soll ich euch wünschen: Kraft natürlich, am besten eine andere Schule, mehr Zeit (Entspannung und Kuscheln sind mindestens so wichtig wie alle Therapien) und vor allem wünsche ich euch Menschen, die Deinen kleinen Sohn einfach mal so lieb haben wie er ist und nicht von "solchen Kindern" und "solchen Familien" reden - das geht gar nicht!
Ich unterrichte in einem Förderzentrum, da sehe ich jeden Tag so viel...
Alles Liebe,
Karen
PS: es passen gar nicht alle meine Gedanken in einen Kommentar...
Das klingt wirklich nicht gut und nach einer viel zu vollen Woche. Am liebsten würde ich euch mal unsere Großeltern leihen, denn ich weiß, dass unsere übervollen Wochen nur durch ihre Hilfe so problemlos ablaufen. Vielleicht wäre bei euch aber wirklich eine freie Schule ein Lichtblick? Montessori ohne Noten u.ä. - aber da bist du ja alleine die Fachfrau und mir bliebt nur dir ein bisschen positive Energie zu schicken ...
Ach, menno! Dabei erinnere ich mich so gut an den Eifer, mit dem dein Kleiner vor einem Jahr seinen Frosch gefilzt hat - da war von Lernunwilligkeit nichts zu spüren. Es kommt, wie so oft, eben auf alle Seiten an.
Ich wünsch dir Kraft und Mut und kann wieder mal nicht viel mehr als eine Tasse Tee anbieten.
Sei umarmt,
Malou
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