Montag, 8. September 2014

Drogen & Literatur

Hier ist es gerade ziemlich ruhig. Im Blog, meine ich. Das hat mehrere Gründe. Erstens nutze ich seit meinem Geburtstag den PC nur noch äußerst selten zum Surfen im Netz, sondern lieber mein neues Smartphone. Zum Lesen ist das auch ganz fein, bloß eben nicht zum Schreiben. Zweitens sitze ich nach wie vor an meinen letzten schriftlichen Arbeiten fürs Studium. Und drittens habe ich vor allem mit dem kleinen Schulkind derzeit dermaßen viele Termine, dass ich fast jeden Tag ab dem frühen Nachmittag irgendwo in Dresden unterwegs bin. Ein einstündiger Termin kostet mich immer mindestens drei Stunden Zeit. Auch die Organisation und das In-Ordnung-Halten der Schulsachen braucht noch viel Begleitung meinerseits und etwas Spielzeit möchte vor allem der Kleine ja auch noch mit mir haben. Und schon ist wieder Abendbrotzeit und der Tag fast rum. Wenn ich dann vom Vorlesen beim großen Schulkind komme, ist es halb oder dreiviertel neun und ich bin zu nicht viel Sinnvollem mehr zu gebrauchen. 
Außerdem wühlt mich unsere derzeitige Lektüre ziemlich auf - ganz im Gegensatz zu meinem Sohn. Wir lesen, auf seinen Wunsch hin, gemeinsam Wir Kinder vom Bahnhof Zoo. Dieses Buch hat mich bereits vor 20 Jahren sehr geschockt, als ich es mit 14 gelesen habe. Meine Mutter hatte es mir damals als Gegenpol zu dem geschenkt, was ich zu dieser Zeit am liebsten gelesen habe: Harmlose, rosarote Mädchenbücher, am liebsten Internatsgeschichten. Hanni & Nanni und vor allem Dollystanden ganz oben auf meine Favoritenliste. Ich habe diese Welt in den Büchern so geliebt, dass ich schließlich selbst ins Internat wollte. Ich! Das heimwehkrankeste Kind überhaupt. Das Kind, das sich selbst von den Großeltern weinend hat abholen lassen und seinen Kuschelhasen überall mit hinschleppte. (Er liegt auch heute noch in meinem Bett und sieht mit seinen 33 Jahren ziemlich ramponiert zerliebt aus.) Da hat sich meine Mutter wahrscheinlich gedacht: "Das Kind muss endlich mal was Ordentliches lesen, etwas, das eher der Realität entspricht als dieser Heile-Welt-Kram." Später bekam ich dann noch Die Weiße Rose geschenkt.
Christiane F. schildert ihren Weg in die Abhängigkeit schonungslos und ich finde ihre Berichte als Mutter und als Mädchen oft schwer auszuhalten. Dennoch denke ich, dass jede(r) Jugendliche die "Kinder vom Bahnhof Zoo" lesen sollte, weil es massiv eindrücklich schildert, wie der Weg von der ersten Zigarette bis in die tiefe Heroinabhängigkeit aussehen kann, wie schwer bis unmöglich der Ausstieg ist (und warum das so ist) und was Drogen wirklich mit einem Menschen, seinem Körper, seinen Vorstellungen, seinem Leben und seinen Beziehungen machen. Ich selbst war im vergangenen Jahr im Rahmen einer Studienexkursion der Sozialen Arbeit in einer Suchtklinik und fand es dort kaum auszuhalten, so sehr hat es mich belastet.
Ich hoffe jedenfalls, dass mein Sohn - sollte er jemals in die Verlegenheit kommen, so etwas auszuprobieren - an Christiane F. und ihre Freunde denkt. Ich sehe ihn da nicht in Gefahr, weil er alles andere als ein Mitläufer ist, alles und jeden hinterfragt und bisher nichts tut, nur weil andere es tun oder von ihm wollen. Aber ich sehe auch, welche gesellschaftliche Akzeptanz Drogen und Suchtverhalten heute haben. Nikotinsucht gilt als Persönlichkeitsrecht, Raucher als cool, rauchen in Gegenwart von Kindern (im Auto, im Tragetuch, in der Wohnung etc.) als Sache der Eltern und nicht als das, was es wirklich ist: Körperverletzung! Auch in Filmen wird wieder deutlich mehr geraucht, ist mein Eindruck, vor allem im deutschen Kino. Alkohol gibt es immer und überall, schon junge Schüler schleppen Rucksäcke voll davon mit zur Klassenfahrt (wie Lehrer und Schüler berichten), "Vorglühen" vor Partys ist scheinbar die Normalität, mit peinlich-besoffenen Fotos brüstet man sich heutzutage bei Facebook und kassiert reichlich "Likes" dafür. Das führt dazu, dass fast ein Fünftel der 12- bis 17-Jährigen mindestens einmal im Monat im Vollrausch ist, wie der Spiegel berichtet. Ich finde das eine grauenhaft hohe Zahl, die noch schlimmer ist, wenn man sich vergegenwärtigt, wie jung die Kinder und Jugendlichen noch sind! Eigentlich dürften sie laut Jugenschutzgesetz noch nicht einmal trinken! Aber das scheint, wie auch beim Zigatettenverkauf, viele Läden nicht davon abzuhalten, ihnen die Sachen zu verkaufen, das habe ich selbst schon oft genug miterlebt. Und leider auch, wie Omas und Uromas schon kleinen Kindern Alkohol geben, etwa in Form von Eierlikör im Pudding, immer gern mit Hinweis, die eigenen Kinder hätten das auch schon bekommen und "es hat ja noch keinem geschadet". Arrrgh! (Was musste ich mir da alles anhören von wegen "Hysterie" und "Überbehüten", als ich das für meine Kinder abgelehnt habe!)
Shishabars sprießen wie Pilze aus dem Boden und scheinbar denkt sich keiner was dabei, sondern es wird Wasserpfeife geraucht wie andere Kaugummi kauen oder ein Bonbon lutschen. Auch Erwachsene, vor allem Studenten und im Beruf erfolgreiche Menschen, greifen zahlreichen Berichten zufolge immer häufiger zu Aufputschmitteln (am Morgen) und Schlafmitteln (am Abend), was beides sehr schnell zur Abhängigkeit führt und Körper und Geist stark in Mitleidenschaft zieht. Auch erinnere ich mich noch gut an meine Jugendzeit, in der das Schreckgespenst Ecstasy allgegenwärtig war, vor allem im Zusammenhang mit Techno, Disco & Loveparade. Dessen Platz hat heute wohl die Droge Crystal eingenommen. Schlimm finde ich auch die saisonalen Artikel in Frauen- und Lifestylezeitschriften zum Thema "Kater". Jedes Jahr an Silvester und zum Karneval sind die Zeitschriften voll mit Tipps, wie man den Kater am "Tag danach" in den Griff bekommt. Den Rat, einfach nicht so viel zu trinken, habe ich noch NIE gelesen!

Eine wirklich traurige Entwicklung, bei der ich nur hoffen kann, dass ich meine Kinder stark genug erziehe, um etwaigen Verführungen und Gruppenzwängen zu widerstehen, denn mehr hat man als Eltern kaum in der Hand. Die angeblich so coolen Freunde, Bilder und Filme wirken einfach stärker als jeder elterliche Appell an die Vernunft.

Tja, mit solchen Gedanken schlage ich mich also nun herum, da mein Großer langsam, aber sicher in Richtung Pubertät marschiert. Ich gebe zu, der Gedanke macht mir Angst und ich fühle mich gar nicht darauf vorbereitet. Aber es wird wohl wie mit allem sein, was mit Kindern und Erziehung zu tun hat: Man wächst Stück für Stück hinein und tastet sich im "Trial-and-Error"-Verfahren so durch ;-) Meine Mutter hat immer gesagt: "Die Kinder sind den Eltern immer einen Schritt voraus." Wie wahr!

Und damit entlasse ich euch wieder und wünsche euch einen gedankenvollen Montag!

1 Kommentar:

Dani Ela hat gesagt…

Ja die Gedanken kenne ich... da darf man sich nicht zu sehr verrückt machen (auch wenns schwer fällt). Vertrau auf Deine Jungs! Deine Erziehung und die präventiven Maßnahmen, die Du gerade ergreifst, weisen sie in die richtige Richtung. Den Rest müssen sie selbst entscheiden, da hat man als Eltern dann nur noch wenig Einfluss...
Ich finde nur, dass man mit solchen Aufklärungen, wie Du es gerade auch tust, sehr viel bewirken kann und den Kindern dadurch ohne erhobenen Zeigefinder begreiflich macht, was die Folgen sein können. Klar kann es sein, dass sie vielleicht mal eine Kippe (um cool zu sein) rauchen und auch mal was tinken (wie ich damals Himmliches Tröpfchen - hihi), das gehört zum Großwerden dazu, aber halt in Maßen und um die Erkenntnis zu erlangen: "nee das will ich nicht".
Ich wünsche Deinen Jungs, dass sie den für sich richtigen Weg finden und Dir keine Sorgen bereiten!!!
Liebe Grüße Dani Ela

PS: Ich hab auch Hanni und Nanni und Dolly gelesen!!!! :-) schön war´s...

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