Letztes Jahr war ich immer ganz pünktlich mit meinem Zwölftelblick vom Balkon. War ja auch leicht: Das Model (= der Balkon) war stets fotogen, ein Fotograf (= ich) immer zur Hand. Seit ich den Blick aber nun mehr auf mich selbst richte, ist nix mehr leicht: Das Model muss sich nun erstmal selbst ein bisschen zurechtmachen und ansehnlich finden und einen extra Fotografen brauch ich auch noch. Dann der Text: Letztes Jahr: Aktuelle Blumenbepflanzung, ein paar Worte zum Wetter, fertig. Dieses Jahr: Rekapitulierung der vergangenen Wochen, Blick auf Waage und Speiseplan, Erforschen meines Inneren usw. Ach ja, und das Wetter, das muss natürlich auch mitspielen. Während ein Balkon im Herbstregen völlig ok war, möchte ich kein tropfnasses Foto von mir haben ;-)
Naja, und deshalb gab es im August auch kein Bild. Weil alles irgendwie nicht zusammengepasst hat. Da der Oktober aber nun schon mit großen Schritten naht, hier mein aktueller Septemberblick nach
Tabeas Idee:
Dieses Foto entstand an unserem 11. Hochzeitstag vergangenes Wochenende im Großen Garten. (Es ist nicht schief, sondern die Brücke schlägt einen Bogen über den Carolasee!)
So einiges ist passiert, seitdem ich mit diesem Projekt hier begonnen habe. Allerdings ganz anders, als ich es geplant oder erwartet hatte. Angefangen hatte ich ja im Februar mit einer Ernährungsumstellung auf vegan, vor allem mit dem Ziel einer deutlichen Gewichtsabnahme. Nach zwei veganen Monaten habe ich beschlossen, diesen Versuch zu beenden, lebe aber seitdem fast ausschließlich vegetarisch. Da ich keinen Dogmatismus mag, halte ich mir Ausnahmen offen und bestelle z.B. manchmal im Restaurant einen Braten. Dabei achte ich auf Qualität und, wenn möglich, Bio-Erzeugung. In der
Brand-Baude werden bspw. zahlreiche Gerichte aus regionalen Produkten angeboten. Dort habe ich neulich auch einen hervorragenden Sauerbraten aus Gallowayrindern gegessen, die direkt in der Sächsischen Schweiz weiden. Auf Eier möchte ich nicht verzichten, verwende sie allerdings sparsam und kaufe ausschließlich Bio-Eier von regionalen Höfen. Um weniger Schokolade zu essen, verzichte ich beim Einkaufen darauf, so dass kaum etwas zu Hause vorrätig ist. Ich tigere also mehrmals täglich mit großem Schokoladenappetit zum Schrank und schau nach, aber leider ist er meistens leer ;-). Ein wenig muss ich aber doch davon essen, sonst wird mein Appetit riesig und ich esse dann gleich ganz viel auf einmal. Auch doof. Deshalb: Lieber öfter mal eine kleine Portion als ein komplettes Verbot. Bei Milchprodukten verwenden wir ausschließlich fettreduzierte, statt Butter gibt es Pflanzenmargarine (außer zum Backen oder mal auf frisches Brot) und abends mache ich mir meistens einen großen Salat. Ich quäle mich also nicht, achte aber auf meine Ernährung. Deshalb mache ich zwar gewichtsmäßig keine großen Sprünge, bin aber auf die 6 kg Minus trotzdem stolz! Meine Waage zeigt jetzt also 94 kg an. Damit bekomme ich zwei Hosen wieder zu, die vorher nicht mehr gepasst haben, prima!
Viel wichtiger finde ich aber mittlerweile etwas ganz anderes: Trotz des fast unveränderten Gewichst hat sich mein Körpergefühl verändert! Irgendwann im Laufe der letzten Monate kam mir nämlich ein Gedanke: Was, wenn mein Körper- und Selbstwertgefühl gar nicht so sehr von meinem Gewicht abhängt, wie ich denke? Wenn es sich nicht automatisch verbessert, nur, weil ich eine kleinere Kleidergröße trage? Wenn es also eigentlich auf etwas ganz anderes ankommt?
Woher dieser Gedanke kam? Nun, ich hatte versucht mich zu erinnern, ob und wann ich mich früher einmal wohl(er) in meiner Haut gefühlt hatte. Die Antwort: Nie. Traurig, aber wahr. Ich war nie eine zarte Elfe und schon immer eine der Größten in der Klasse, aber mit 18 Jahren und Kleidergröße 36/38 hätte ich mich doch schön und schlank fühlen können, oder? Habe ich aber nicht. Ich habe immer unter dem gelitten, was ich an mir nicht mochte, und konnte das Schöne nicht genießen. Klar, um meine Locken wurde ich bereits in der Schule beneidet und meine Oberweite füllte mehr aus als die der meisten anderen Mädchen und Frauen. Ich hatte nie mit Pickeln zu kämpfen und mochte das schöne Braun meiner Haare und Augen. Dennoch schaute ich immer zu den kleinen zarten Mädchen und meinte, so sein zu müssen wie sie. Elegant den Schwebebalken entlangschweben, Beschützerinstinkte wecken, bei den Jungs begehrt sein - all das gelang mir nicht. Vor allem aber war ich nicht schüchtern und sagte offen meine Meinung. Das ist nun ganz und gar nicht ladylike und man eckt oft damit an - Emanzipation hin oder her. Lehrer empören sich, Männer erschrecken. Irgendwann begann ich mich also immer nur falsch zu fühlen. Das überdauerte bis heute. Egal wo ich hinkam, ich fühlte mich nie cool, lässig, elegant, sportlich, weiblich, intelligent, alternativ, jugendlich, alt und was-weiß-ich-noch genug. Immer glaubte ich, anders sein zu müssen, um gemocht und akzeptiert zu werden. Und mich selbst zu mögen und zu akzeptieren. Und wollte doch gleichzeitig nie sein wie die anderen.
Jetzt habe ich aber für mich entdeckt, dass ich vielleicht doch nichts verändern muss, dass es auch so gehen könnte. Ich habe aufgehört, bestimmten Kleidergrößen und Mädchenidealen nachzutrauern und suche stattdessen nach Dingen, die mir und zu mir passen. In jeder Hinsicht. Im Frühjahr entdeckte ich gleich zwei Läden, in die ich mich bisher nicht hinein getraut hatte:
Gudrun Sjöden und
Ulla Popken, die vor allem tolle
Kleider im Sortiment haben. Seitdem trage ich viel seltener Jeans und T-Shirt, sondern gönne mir wieder öfter schöne Kleider, die ich so sehr liebe (als Kind weigerte ich mich jahrelang, Hosen anzuziehen!). Zu dem Kleid auf diesen Bildern meinte die Verkäuferin bei der Anprobe übrigens: "Wir haben dieses Kleid schon oft verkauft, aber bei den wenigstens sah es so gut aus wie bei Ihnen!" Hach!
Ich achte mehr als zuvor auf Bewegung, zwinge mich zum Radfahren, auch wenn ich mich am liebsten ganz bequem in den Bus setzen würde, und versuche meine Angst vor anstrengenden Wanderungen wieder zu überwinden und trotzdem loszulaufen (nachdem ich im letzten Jahr zweimal am Berg Luftnot bekam und mir fast schwarz vor Augen wurde). Zur Not eben etwas langsamer. Und: Es funktioniert! Endlich habe ich auch einen lang gehegten Plan in die Tat umgesetzt und mich zum Yoga angemeldet. Die zwei Stunden bisher haben mir gut gefallen, wenn sie auch deutlich anstrengender waren, als ich das von früher in Erinnerung hatte. Mit
Frau Malou als Begleitung kann ich meinen inneren Schweinehund auch gleich viel leichter überwinden als allein.
Doch nicht nur Bewegung und schöne Kleider gönne ich mir (wieder), auch beim Einkaufen achte ich jetzt mehr auf mich. Die Abstecher in einen der örtlichen Bioläden genieße ich sehr als etwas, das ich hauptsächlich für mich tue. Und auch bei Kosmetik gönne ich mir nun ausschließlich die von meiner Haut für sehr gut befundene Vitamin-E-Pflegelinie aus dem Bodyshop. Und noch etwas mache ich wieder öfter, was ich lange aus Zeitmangel vernachlässigt habe: Mir die Nägel zu lackieren. Ich mag das sehr und kann kaum an Nagellackregalen im Laden vorbeigehen, ohne nicht mindestens nach tollen Farben Ausschau zu halten oder gleich eine neue Lieblingsfarbe mitzunehmen. Als junges Mädchen hatte ich eine Palette aus zig verschiedenen Nagellacken zu Hause und lackierte oft jeden Fingernagel in einer anderen Farbe oder malte Muster und Schnörkel auf. Ganz so bunt geht es bei mir jetzt nicht mehr zu, aber die einzelnen Farben dürfen nach wie vor gern kräftig sein. Zu zart passt nunmal einfach nicht zu mir, jawoll! Für den herbst finde ich neben einem dunklen Rot ein tiefes Pflaumenlila wunderschön, im Sommer kam ich an einem sandfarbenen Lack mit dem bezeichnenden Namen "Sand Tropez" nicht vorbei. Mal sehen, vielleicht wage ich mir ja mal wieder an ein dunkles Smaragdgrün wie früher...
Alles in allem fühle ich mich jetzt viel wohler in meiner Haut als noch am Anfang des Jahres. Ein schönes Gefühl!!!