Coverabbildung von Blogg dein Buch
Ein
Mann wie Holm...ist ein sehr eigenartiger und schwer zu
beschreibender Mann. Er ist anders als die anderen, die man so kennt.
Grüblerisch („Holm fragte sich, wer auf die Idee gekommen war,
dass die Sonne lachen konnte. Seit die Ozonschicht immer dünner
wurde, musste wohl eher von Schadenfreude seitens der Sonne
gesprochen werden.“), meistens allein oder mit seiner alten Tante
zusammen, ist er nicht besonders lebenstüchtig und sozial massiv
gehemmt, man könnte sogar sagen: sozial inkompetent. Alles, was
andere Menschen gern miteinander tun, überfordert ihn, schreckt ihn
ab oder ekelt ihn sogar: Unterhaltungen, Familientreffen, Einkäufe
und, ja, auch die bloße Vorstellung von Nähe zum anderen
Geschlecht.
„Bevor
ihm Gesine Mugsch die Anschaffung (Erringung? Installierung?
Ernennung?) einer Frau an seiner Seite empfahl, hatte Holm die
weibliche Welt lediglich zur Kenntnis genommen, etwa wie man
feststellte, dass es einen Mond gab oder den Großen Wagen.“ Mit
ihm selbst hatte das mit den Frauen allerdings nicht das Geringste zu
tun. Doch schon bald bemerkte er, „dass er Frauen nicht mehr nur
als Mitbürger ansah, sondern sie auch unter dem Gesichtspunkt der
Lebenshaltungskosten betrachtete. [..] Sogleich überlegte er, ob es
sich überhaupt lohnte, in eine Frau zu investieren und welche Art
Aufwandsentschädigung er von ihr erwarten konnte. Konkret: war es
sinnvoll, sein Geld für ein Produkt auszugeben, das man vielleicht
gar nicht brauchte?“ Nachdem er aber festgestellt hat, dass es
normal zu sein scheint, als Mann irgendwann auch eine Frau an seiner
Seite zu haben, macht er sich weitergehende Gedanken zur Frauenwahl:
„Tante Hede gehörte zu jenen Frauen, die sich ein Mann und Mensch
wie Holm nur wünschen konnte: gut gelaunt, lebenstüchtig und alt.“
Das Schlüsselwort ist hier „alt“, denn Frauen über 50 träumen
nach Holms Erkenntnissen nicht mehr von so unrealistischen Dingen wie
„einem glücklichen und erfüllten Dasein“, hatten keine
„Illusionen vom partnerschaftlichen Miteinander“ mehr - aber vor
allem wollten sie keinen Sex! Denn eine Beziehung stellt sich Holm in
der Tat so vor wie das Zusammenleben mit seiner Tante: Es gibt einen
festgelegten Ablauf, jeden Tag wird zur gleichen Zeit aufgestanden,
gefrühstückt, einer kauft ein, einer saugt Staub, mittags wird
pünktlich gegessen, dann machen beide in getrennten Zimmern (!)
Mittagsschlaf bis Punkt zwei usw. Jede noch so kleine Änderung in
diesem Plan bringt Holm komplett durcheinander, daher lehnt er dies
auch ab. Gefühle sind nicht eingeplant, eine Ehe ist für ihn eher
eine Zweckwohngemeinschaft. Allerdings ist ihm auch sein eigener
Marktwert und der altersmäßig passender Frauen klar: Man war „nicht
mehr das neueste Modell auf dem Markt“ und sowieso hieß es „mit
spätestens vierzig Abstand nehmen von Träumen und Hoffnungen.“
Denn „wer nach vierzig Jahren Lebenspräsenz keinen Abnehmer
gefunden hatte, konnte sich nur noch als Schnäppchen vermarkten.“
So
plätschert sein Alltag dahin, es passiert praktisch nichts, aber in
Holms Gehirn schlägt schon dieses Nichts Funken, seine Gedanken
drehen sich im Kreis, er seziert jede kleinste Situation, jedes
Gespräch, jede Handlung, jeden vermutlichen Gedanken seines
Gegenübers, selbst die Anordnung der Regale im Supermarkt: „Dabei
fiel ihm auf, dass der Warenpräsentation eine ausgeklügelte
Dramaturgie zugrunde lag, die offenbar direkt dem menschlichen Leben
abgeschaut war. Wesentliches folgte auf Unwesentliches, Frisches auf
Konserviertes, Grundnahrungsmittel auf Mixed Pickles. Gemüse, Quark,
Fleisch – besser konnte man das Leben nicht beschreiben.“ Der
Leser ist quasi Beifahrer in Holms Hirn und bekommt daher jeden noch
so verqueren Gedanken im Detail mit, auch, als Holm dann endlich eine
Frau findet – oder besser gesagt: sie ihn.
Weil
Holm mit allem, was für einen „normalen“ Menschen Alltag
ausmacht, ein Problem hat, dachte ich des Öfteren beim Lesen:
„Spinnt der denn komplett?“ Leider lautet die Antwort wohl: JA.
Denn es wird nicht besser. Hatte ich anfangs noch die Hoffnung, der
Auszug bei Tante Hede lasse diesen eingefleischten
fast-40-Junggesellen aufblühen, wurde ich eines Besseren belehrt.
Obwohl „eines Besseren“ nicht ganz passend ist, schließlich wird
hier nichts besser. Denn was anfangs noch witzig anmutet, nervt
irgendwann einfach nur noch. Ich habe das Buch nur häppchenweise
gelesen, weil das, was Holm tut und denkt, dermaßen anstrengend ist,
dass ich es nicht auf einmal konsumieren mochte. Doch nach knapp 200
Seiten war es nur noch Quälerei. Seine detaillierten Ausführungen
zu Onanie, seinem ersten Mal und Körpervorgängen wie Blähungen
sind irgend etwas zwischen eklig, pervers und krank, wie ich finde.
Das ist das erste Rezensionsbuch von Blogg dein Buch, das ich nicht zu Ende gelesen habe,
weil es mich einfach angewidert hat.
Es
gibt einige schöne Formulierungen und intelligente Gedanken in
diesem Buch, wie z.B. „Er sah die Großaufnahme eines weiblichen
Gesichts, das ihm wie die Oberfläche eines fremden Planeten
erschien. Mit nur wenigen Zentimetern Entfernung flog das
Holm-Shuttle über diesen eigenartigen Mond und suchte nach Hinweisen
auf fremdes Leben.“ oder „Holms Empfehlung im Restaurant stand
sofort fest: Rucola mit Balsamico und Schafskäse, Wiener Schnitzel
mit Pommes und abschließend ein Orangenparfait. So sprach jemand,
der in Europa zuhause war und für den das Schengener Abkommen auch
auf dem Gaumen Gültigkeit besaß.“ Leider hilft das über das
„Gesamtpaket“ des Buches nicht hinweg, so dass ich es nur sehr
eingeschränkt empfehlen kann. Vielleicht habe ich irgend etwas an
dem Buch nicht verstanden, vielleicht kann ich mich auch nicht gut
genug in derart seltsame Menschen bzw. Männer einfühlen, aber für
mich war das Buch von Matthias Keidtel aus dem Dotbooks-Verlag überhaupt nichts.
1 Kommentar:
Klingt wirklich inhaltlich etwas anstrengend, wobei stilistisch durchaus nicht uninteressant. Aber ich glaube, ich würde es nicht lesen. Was ich irgendwie witzig finde ist, dass ich tatsächlich einen Holm kannte, der mit dem Helden des Buches verblüffende Ähnlichkeit hatte ...
LG Doro
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