Sonntag, 23. Juni 2013

Das blaue Wunder von Coswig

Das Örtchen Coswig kannte ich bisher nur vom Vorbeifahren mit dem Zug und den Blaudruck nur von Handwerkermärkten. 
Gestern habe ich dann beides zum ersten Mal näher kennen lernen und live erleben dürfen.
Kerstin hatte vor einer Weile eher zufällig eine der beiden letzten Blaudruckereien in Sachsen entdeckt. Das Interesse unter den Dresdner Nähbloggerinnen für diese alte Kunst war so groß, dass Kerstin für diesen Samstag einen Besichtigungs- und Drucktermin bei Frau Folprecht-Pseida in Coswig organisierte. Nach dem (etwas arg hastigen und kurzen) Mittagessen setzte ich mich in die Straßenbahn und fuhr zum "Wilden Mann" (vom Namen her einer meiner Lieblingsstadtteile hier :-D ). Dort war ich mit Kerstin verabredet, die mich und Doro mit dem Auto mit zur Druckerei nehmen wollte. Kerstin war schon da und klopfte etwas verwundert gegen mein Straßenbahnfenster - ich hatte mich nämlich so in meinem Buch festgelesen, dass ich glatt die Haltestelle verpasst hätte.

Um 14 Uhr trafen wir dann im Garten des romantischen Häuschens der Familie Folprecht die restlichen Näherinnen Anja, Silvi, Anja, Malou und Bianca. Nachdem wir das schöne Grundstück ausgiebig bewundert hatten, holte uns die Inhaberin zur Führung ab. Es war gar nicht so leicht, ihr gleichzeitig aufmerksam zuzuhören und mit den Augen ihre Werkstatt mit all den faszinierenden Dingen darin zu bewundern. was es da nicht alles gab: Becken mit hellgrüner und dunkelblauer Farbe, Stoffe in allen erdenklichen Blautönen und Musterungen, Regale voller alter Holzmodel, Lineale und Stifte, Tischdecken und Patchworkkissen, Bürgelgeschirr und Erzgebirgsfiguren.

Wir erfuhren, dass es sich beim Blaudruck um eine sogenannte Reservetechnik handelt, bei der zuerst das Muster mit Hilfe der Modeln und des zartgrünen Papps auf den Stoff aufgebracht wird, damit er die Farbe des anschließenden Färbebades an diesen Stellen NICHT aufnimmt.

v.l.o.n.r.u.: Der schöne Hof, der Arbeitstisch, die Papp-Zutaten und eine kleine Auswahl an Holz-Messing-Modeln

1.) der zartgrüne Papp, 2.) Model mit Papp, 3.) sanftes Festklopfen des Models auf dem Stoff, damit der Papp gleichmäßig übertragen wird, 4.) vier gleiche Modelabdrucke exakt aneinander gefügt ergeben ein schönes Kreismuster

Ist der Papp richtig getrocknet, werden die Stoffbahnen an einen großen Metallring gehängt und ins 2,5 m tiefe Färbebecken getaucht. Trocknen, tauchen, trocken, tauchen... ungefähr fünf Mal, dann ist der Stoff richtig schön dunkelblau und vor allem farbecht. Faszinierend dabei: Kommt der Stoff aus dem Indigo-Bad, ist er zuerst einmal grün. An der Luft reagiert die Farbe dann mit dem Sauerstoff und wird zu dem charakteristischen Blau. Zwischen den beiden Fotos liegen nur 4 Minuten!


Anschließend wird der Papp mit Hilfe eines alten Wäschestampfers in verdünnter Schwefelsäure ausgewaschen und die Muster erstrahlen in Weiß oder Natur, je nach Farbe des Untergrundstoffes.
Nun noch trocknen, mangeln oder bügeln - und dann kann es ans Nähen gehen!

Die raumhohe Wäschemangel war schon sehr beeindruckend!

v.l.o.n.r.u.: Pferdegeschirr, Hofansicht, Haus & Hof sind stilecht mit Blaudrucken dekoriert, gespanntes Zuschauen, Messinstrumente für exaktes Arbeiten, große Auswahl im Verkaufstraum, Indigofarbe zum Drucken, unser gemeinsamer Probedruckstoff

Nach der Führung und Vorführung durften wir selber Hand anlegen und uns ein großes Stück Stoff zum späteren Vernähen bedrucken. Dazu habe ich mir noch einige Blaudruckstoffe gekauft. Aus beiden - den weißen und blauen Stoffen - möchte ich gern einige schöne Dinge nähen, allen voran so ein tolles blau-weißes Patchworkkissen wie auf einem der oberen Fotos.

Habt eine schöne neue Woche!

7 Kommentare:

Mit Nadel und Faden hat gesagt…

Schön geschrieben, auch wenn ich die Blaudruckerei vom Namen schon kannte, nur zufällig den Weg dahin kreuzte.
Ich fand es war ein wunderschöner Nachmittag und werde die Impressionen noch eine Weile in mir tragen.
LG
Kerstin

resize-genadelt hat gesagt…

Ach ja, das war echt schön mit Euch.
Toll hast du alles aufgeschrieben und bebildert.
LG Silvi

PS: So´n Kissen gibt´s hier garantiert auch. Und nicht nur eins.

Topaz hat gesagt…

Das war bestimmt total interessant!!! Die Stoffe finde ich sehr schön, auch wenn Blau sonst gar nicht meine Farbe ist...

So ein Wäschemangel-Ungetüm (bei uns heißt das "Wäscherolle") haben meine Großeltern auch noch auf dem Dachboden stehen - haben wir letztes Jahr bei der Mühlenbesichtigung wohl vergessen :-)

Ganz liebe Grüße
von Nicole

Annerose hat gesagt…

Das ist ja beeindruckend, ich habe das schon mal am Fernseher gesehen und war begeistert, war sicher ein sehr schöner Tag. Konnte man auch Stoffe kaufen ?
Liebe Grüße Annerose

Anonym hat gesagt…

Ja, schön war's. Ich muss jetzt die Farbe erst mal fixieren. Dann streichle ich die Stöffchen noch ein bisschen und plane immer mal wieder neu, was daraus werden könnte. Außerdem hat das Freäulein da ja ein Wörtchen mitzureden.
Beste Grüße,
Malou

Christine hat gesagt…

Schön , dass diese TTradition noch gepflegt wird .
Habe auch so einige Tischsets mit Blaudruck .
Liebe Grüße ,
Christine

kaze hat gesagt…

sSjetzt fast dabei. vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht! Freue mich schon,wenn du die stoffe verarbeitest.
wünsche dir eine gute Woche
Karen

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...